Impulse

Unsere Verwandten

Eine der wichtigsten Zeremonien des Bärenstammes, die Schwitzhütte, betreten wir mit den Worten „to all my relations*“. Das bedeutet so viel wie: für alle meine Verwandten, bzw. für all das, mit dem ich verbunden bin. Beim Sprechen dieser Worte, neigen wir den Kopf zum Boden und kriechen respektvoll in die dunkle Hütte. Was macht den Dank an unsere Verwandten so wichtig?

Heutzutage scheint es wenig Bewusstsein für die Wesen zu geben, die vor uns da waren und mit denen wir verbunden sind. Vermutlich liegt das nicht zuletzt daran, dass wir immer schneller leben und dadurch mit den Gedanken immer schon weit in der Zukunft sind. Die Wochen werden mit Terminen durchgetaktet, das Morgen scheint wichtiger als das heute. Zudem liegen in der Vergangenheit schwierige Themen, so etwas wie der Nationalsozialismus oder der 30 Jährige Krieg um nur einige Beispiele zu nennen. Wir haben aber nicht nur als Volk eine schwere Verbindung mit der kollektiven Vergangenheit. Sätze wie „ich will nicht werden wie meine Eltern“ oder „meine Nase ist krumm“ sind ebenfalls Ausdruck von negativer Bewertung bezüglich unserer Vorfahren.

All das ist schade, denn es liegt so viel Kraft in der Beschäftigung mit den Wesen, die vor uns da waren. Man muss sich nur einmal vorstellen, dass wir, so wie wir heute hier sitzen, die Speerspitze von unzähligen Ahnen sind. Vor uns waren nicht nur zwei Großväter und -mütter, sondern davor noch weitere Urururgroßeltern. Und umso weiter man in die Vergangenheit geht, desto mehr Verwandte werden es, man kann sich bis zur Entstehung der ersten Einzeller zurückdenken, es entsteht ein riesiger Pfeil, an dessen Spitze stehen wir. Wir sind der Ausdruck all dieser Entwicklung und all der Erfahrungen, die gemacht wurden. Hätte es nur einen unserer Großeltern nicht gegeben, gäbe es uns in dieser Form nicht.

Und etwas anderes fällt bei diesem Modell auf, unsere Vorväter sind auch die Ahnen unserer Nachbarn und Mitmenschen, geht man weit genug zurück wird man feststellen, dass wir alle entfernte Brüder und Schwestern sein müssen. Ich finde das einen berührenden Gedanken und einen verbindenden zugleich.

Unsere Verwandten, das sind im Grunde alle Lebewesen, die vor uns hier waren, aus denen wir selbst entstanden sind, aber auch die, die gerade leben. Die Wissenschaft bestätigt, dass wir mit fast allen anderen Lebewesen auf dem Planeten einen verblüffend ähnlichen Genpool haben (mit einigen Lebewesen sind wir näher verwandt als mit anderen).

Aber es endet nicht bei dem, was wir als Leben bezeichnen, sondern es geht noch weiter – auch die Pflanzen und Mineralien sind unsere Verwandten, denn sie und wir bestehen aus komplexen Elementen, die so nur durch Sternenexplosionen entstehen konnten.

Wir tendieren in unserer Gesellschaft sehr dazu darauf zu achten was nicht funktioniert, und das hat auch seine Berechtigung. Aber wenn man einmal mit Abstand darauf schaut: Wir sind ein lebendes Wunder, kein Mensch könnte so ein komplexes Wesen wie uns nachbauen.

So vieles in unseren Körper funktioniert so unglaublich gut, dass wir dem kaum Beachtung schenken. Erst wenn wir nicht mehr laufen können, merken wir wie schön es ist, wenn meine Beine sich bewegen können. Wenn die Augen nicht mehr funktionieren, merken wir wie unglaublich die Fähigkeit zu sehen ist und wenn wir krank sind, sehen und schätzen wir vielleicht die Fähigkeit unseres Körpers sich gegen Viren und Bakterien zu verteidigen – das geschieht eigentlich immer, nicht nur wenn wir gerade krank sind. Wir bewohnen ein wunderschönes Gefährt, das uns mit vielen Gaben und Fähigkeiten ausstattet – doch wir achten nur auf den kleinen Kratzer auf der Motorhaube!

Über die Aufstellungsarbeit habe ich feststellen können, dass in der Verbindung zu unseren Verwandten unglaublich viel Liebe steckt. So möchte eigentlich jeder Vater, jede Mutter das Beste für seine Kinder. Während der Aufstellung kommt oft heraus, dass die Ahnen genau aus diesem Wunsch heraus manchmal sogar „falsch“ gehandelt haben, bzw. es nicht besser wussten oder konnten (meist aus dem eigenen Trauma heraus). Jeder von ihnen hatte seine Last zu tragen und auch diese wird weitergegeben. Nun sind wir diejenigen, die mit der Aufgabe vertraut sind Konditionierungen und kollektive Traumata zu lösen.

Lasst uns wieder Stolz darin finden diese Wunden zu tragen und zu befreien, denn wir schenken mit unserer Arbeit auch Heilung an unsere Ahnen zurück. Gleichzeitig ist dies auch eine wichtige Vorbereitung für unsere Kinder, Enkel und zukünftige Verwandte (auch wenn mit uns unsere Linie versiegen sollte), so dass diese ein wenig leichter auf der Erde laufen können.

Wir haben so unglaublich viel von unseren Verwandten der Vergangenheit und der Gegenwart geschenkt bekommen – wir sind ein Wunder und selbst Ausdruck vom Leben in all seiner Vielfalt und Buntheit. Lasst uns für all das Danken und mit Stolz und offenem Herzen dieses Gefühl von Verbundenheit in die Welt tragen.

to all my relations

Sebastian Vollmar

Wenn du ein Leben führst, das offen für die Lektionen ist, die das Universum dir zu bieten hat, kannst du dir sicher sein, dass die richtige Lektion immer zum richtigen Zeitpunkt kommen wird, ganz gleich, wer dein Lehrer oder was der Gegenstand deines Lernens ist.

– Sun Bear –